Ab in den Wald

Die Kraft der Kräuter

Wildkräuter – die heimlichen Superhelden des Waldes erleben derzeit ihr Comeback. Nicht nur in den Töpfen der Wildkräuterwirte in Baiersbronn, sondern auch in den Hausapotheken. In einigen von ihnen steckt nämlich viel mehr, als man ihnen zutraut.

von Tobias Pützer Mi. 19. Dezember 2018

Ein Pfefferminztee mit Ingwerscheiben hilft bei Erkältung, Kamillen- und Fencheltee beruhigen den Magen – soviel weiß fast jeder. Doch bei welchen Beschwerden wirken Spitzwegerich, die Große Brennnessel oder die Wiesen-Schafgarbe? Das Wissen über die Heilkräuter, mit denen uns die Natur beschenkt hat, ist leider weitestgehend verloren gegangen. Zumindest bei den meisten Menschen. Umso besser, dass derzeit Wildkräuter ein kleines Revival erleben. Zum einen in den Küchen namhafter Köche wie auch bei den Wildkräuterwirten der Region Baiersbronn. Zum anderen in den Hausapotheken der Menschen. Denn milde Alternativem zu den synthetischen Mitteln der Pharmaindustrie sind gerade bei leichten Erkrankungen und Beschwerden wieder populär und dadurch gewinnt auch die Phytotherapie, so der Fachbegriff für die Pflanzenheilkunde, seit einigen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Doch so vielfältig die Wirkungsbereiche von Heilkräutern, so breit gefächert sind auch die potentiellen Neben- und Wechselwirkungen. Nur weil ein Kraut aus dem Wald oder von der Wiese gepflückt wird, ist es nicht automatisch gesund. Gerade Frauen in der Schwangerschaft und Stillzeit, sowie Herz-Kreislauf-Patienten, Asthmatiker und Kinder sollten auf jeden Fall einen Experten oder Apotheker zu Rate ziehen, bevor sie mit wilden Heilkräutern experimentieren. Die meisten Wildkräuter allerdings sind ungefährlich, gut als Tee, Tinktur oder Salbe verträglich und helfen erstaunlich zuverlässig bei vielen Alltagsbeschwerden und kleineren Wehwehchen.

1. Beifuß – Artemisia vulgaris

Beifuß sammeln:

Wo? Beifuß ist anspruchslos. Man findet ihn besonders oft an Wegesrändern und auf Schutthalden.

 

Wie? Charakteristisch für den Beifuß ist sein leicht rötlicher, kantiger Stängel. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, die Unterseite filzig-weiß. Zur Blütezeit (Juli bis September) sind die Blätter schmal ausgefiedert, ansonsten eher breit gewachsen. Die Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 140 Zentimetern.

 

Wann? Beifuß findet man fast ganzjährig, in jedem Fall zwischen Frühjahr und Herbst. Wer das Wildkraut trocknen und aufbewahren möchte, sollte die Blätter vor der Blütezeit sammeln, dann haben sie die meisten Inhaltsstoffe.

Beifuß anwenden:

Zutaten Fußbad:
# 2 Handvoll frischer Beifuß
# 3 Liter heißes Wasser

 

Zubereitung: Den Beifuß im heißen Wasser gut zehn Minuten lang ziehen lassen, anschließend die Füße mindestens 15 Minuten darin baden.

 

Anwendung: Beifuß wärmt, beruhigt und entkrampft die Muskulatur und hilft ebenfalls bei rheumatisch bedingten Beschwerden. Getrunken als Tee, wirkt das Kraut bei Schlafstörungen und fördert die Fettverdauung. Schwangere sollten ihn allerdings nicht trinken.

2. Spitzwegerich – Plantago lanceolota

Spitzwegerich sammeln:

Wo? Spitzwegerich findet man auf Wiesen und, wie der Name schon sagt, an Wegesrändern.


Wie? Lange, lanzettförmig Blätter mit parallel verlaufenden und deutlich hervortretenden Blattadern – typisch Spitzwegerich. Skurril: Die braunen Blüten mit weißen Staubblättern (Blütezeit von Mai bis September) können roh verzehrt werden – gedünstet oder gekocht erinnert ihr Geschmack an den von Champignons.


Wann? Spitzwegerich findet man vom Frühling bis in den späten Herbst hinein. Die Pflanze wächst selten höher als 50 Zentimeter.

Spitzwegerich anwenden:

Zutaten Heilsalbe:
# 2-3 Handvoll frische Blätter vom Spitzwegerich
# 500 Milliliter Olivenöl
# Mulltuch
# 50 Gramm Bienenwachs


Zubereitung: Die Blätter quer zur Faser in grobe Streifen schneiden, in einen Topf geben und das Olivenöl zugeben. Erhitzen und 20 Minuten sieden lassen (nicht kochen). Durch das Mulltuch in eine Schüssel abseihen und das Bienenwachs im heißen Öl auflösen. Mit einer Schöpfkelle in kleine Glastiegel abfüllen und im Kühlschrank lagern. Die Heilsalbe ist so rund ein Jahr haltbar.

 

Anwendung: Spitzwegerich desinfiziert, wirkt blutstillend und wundheilend. Zwei bis drei Mal täglich auf Schnittwunden, Insektenstiche, Blasen oder Verbrennungen auftragen. Als Tee wirkt das Wildkraut hervorragend gegen Husten und Heiserkeit.

3. Beinwell – Symphytum officinale

Beinwell sammeln:

Wo? Echter Beinwell mag es feucht und wächst vermehrt an Flussufern, Gräben und saftigen Wiesen.

 

Wie? Beinwell erkennt man an den langen, schmalen und ausgeprägt geäderten Blättern. Die Blattoberfläche ist leicht pelzig, die Blüten (zwischen Mai und September) haben eine Färbung von Weiß bis Violett-Rosa. Beinwell ist eher kleingewachsen und erreicht selten eine Wuchshöhe von mehr als 60 Zentimetern.

 

Wann? Die Wurzeln am besten im Herbst mit dem Spaten ausgraben. Vorsicht: Beinwell wird manchmal mit dem giftigen Roten Fingerhut verwechselt, den man aber an seinen wesentlich größeren Blüten erkennt.

Beinwell anwenden:

Zutaten Heilöl:
# 1-2 Handvoll Beinwellwurzeln (mit dem Spaten ausgraben)
# Olivenöl
# Sieb
# Trichter

 

Zubereitung: Die Wurzeln mit einer Gemüsebürste gut waschen und in feine Scheiben schneiden. In einen Topf geben und mit Olivenöl bedecken. Erhitzen und für 20 Minuten sieden lassen (nicht kochen). Abseihen und das Öl mit einem Trichter in eine lichtundurchlässige Glasflasche abfüllen. Im Kühlschrank ist das Öl mehrere Wochen haltbar.

 

Anwendung: Schmerzhafte Quetschungen, Prellungen oder Stauchungen mit dem Beinwellöl zwei bis drei Mal täglich einreiben. Hilft auch prima bei Verletzungen des Bindegewebes, sollte allerdings nicht auf offene Wunden aufgetragen werden.

4. Große Brennnessel – Urtica dioica & Wiesen-Schafgarbe – Achillea millefolium

Große Brennnessel & Wiesen-Schafgarbe sammeln:

Wo? Die Wiesen-Schafgarbe mag sonnige, trockene Plätze. Man findet sie häufig an sandigen Wegen in südlicher Ausrichtung und natürlich auch auf Wiesen. Die große Brennnessel wächst überall, wo sie viele Nährstoffe findet, also auf Weiden, Wiesen, am Waldrand und in der Nähe von Misthaufen.

 

Wie? Charakteristisch für die Wiesen-Schafgarbe sind ihre feingliedrigen, wechselständigen Fiederblätter. Das Kraut sprießt bis zu 90 Zentimetern in die Höhe. Die Große Brennnessel erreicht hingegen locker eineinhalb Meter Höhe und unterscheidet sich von der Kleinen Brennnessel vor allem durch längere und herzförmige Blätter. Beim Ernten sollte man eine Schere benutzen und Handschuhe tragen.

 

Wann? Die Große Brennnessel findet man ganzjährig. Die Wiesen-Schafgarbe wächst zwischen Frühling und Herbst.

Große Brennnessel und Wiesen-Schafgarbe anwenden:

Zutaten Entspannungsbad:
# 2-3 Handvoll frische Wiesen-Schafgarbe (Blätter und Blüten) und Große Brennnessel (nur Blätter)
# 1 Liter heißes Wasser

 

Zubereitung: Die Wildkräutermischung im Wasser aufkochen und zehn bis 15 Minuten lang ziehen lassen. Absieben und den Sud dem Badewasser zugeben. Tipp: Um sich nicht an den Brennnesselblättern zu verbrennen, breitet man sie auf einem Küchentuch aus und rollt mit einem Nudelholz ein paar mal darüber. Dadurch werden die Brennhaare zerstört.

 

Anwendung: Das Kräuterbad ist perfekt nach einem langen Wandertag: Es entspannt, mindert den Muskelkater und löst krampfartige Verspannungen. Als Tee wirkt Schafgarbe gegen Kopf- und Bauchschmerzen, die Brennnessel ist ein guter Entgifter.

Buchtipp: "Die Wildkräuter der vier Jahreszeiten"

Autorin Daniela Dettling gelingt auf 224 Seiten ein unterhaltsames Sammelsurium rund um die Welt der Wald- und Wiesenkräuter. Dazu gibt's Tipps zum richtigen Sammeln und Verarbeiten, angereichert mit kulinarischen und heilkräftigen Rezepten.

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