Schwarzwald Musikfestival

"Ich versuche, mir und dem Publikum Mut zu machen"

Seinen 72. Geburtstag feierte Konstantin Wecker am 1. Juni in Baiersbronn – mit dem Auftaktkonzert seiner Deutschland-Tournee. Der Überzeugungssänger warnt vor einer „brennenden Welt“.

von Stefan Ruzas
Mi. 15. Mai 2019 8

Herr Wecker, Sie starten Ihre große Deutschland-Tournee am 1. Juni in Baiersbronn. Warum ausgerechnet hier?

Weil am 1. Juni mein Geburtstag ist. Und ich den am liebsten auf der Bühne feiere. Da hat man das große Fest ja ganz automatisch. Das ist also schon der richtige Termin am richtigen Ort. Ich war ja bereits einige Male beim Schwarzwald Musikfestival. Wir haben dort zu Beginn unserer Tournee die Ruhe, die wir in Hamburg und Berlin eben nicht haben.

Ihr Konzert ist Teil des vom Baiersbronner Dirigenten Mark Mast initiierten Schwarzwald Musikfestivals. Was ist der Schwarzwald für Sie: heile Welt, Fluchtort, Reiseziel?

Ich kenne den Schwarzwald und ich kenne Baiersbronn. Für mich ist das eine angenehme Umgebung und mir gefällt das Beschauliche. Man schaut sich gerne um, hat viel Natur und ich mag das. Immer mehr merke ich, wie viel Kraft Bäume und Wälder geben.

Sie treten gemeinsam mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie auf, mit der Sie schon seit 20 Jahren immer wieder musizieren. Ein Heimspiel, oder?

In einer gewissen Weise ja. Die Bayerische Philharmonie besteht aus wechselnden, jungen Musikern, die von Mark Mast sehr viel lernen. Ich finde das toll. Wir haben in dem Kammerorchester, das mich auf meiner Tournee begleitet, 12 Musiker aus neun Nationen. Wenn man überlegt, dass ein ägyptischer Konzertmeister spielt und ein syrischer Bratscher: Das gibt einem eine wahnsinnige Kraft für all die völkerverbindenden Ideen, die ich sowieso mein Leben lang habe. Bei solchen Auftritten sieht man, was Musik alles vermag und wie sie Menschen in Beziehung bringt.

Ihre in Baiersbronn beginnende Deutschland-Tournee heißt „Weltenbrand“, benannt nach einem Song aus dem Katastrophen-Jahr 2001. Brennt heute die Welt anders als damals?

Die Welt brennt ganz furchtbar, finde ich, und ich bin richtig verängstigt. Aber ich versuche, mir und dem Publikum Mut zu machen, weiter zu mahnen. Wir stehen kurz vor einer eventuell ganz furchtbaren Wende – hin zum Nationalismus. In manchen Fällen sogar hin zum Faschismus. Und das ist für mich so erschreckend, dass alle demokratischen Kräfte dringend zusammen halten müssen, um sich zu wehren. Wir Künstler sind da sehr gefragt. Nicht jeder muss politische Lieder machen, aber wer in der Öffentlichkeit steht, sollte auch Farbe bekennen.

Haben wir Menschen aus unserer Geschichte denn gar nichts gelernt?

Doch, wir haben ein großartiges Grundgesetz und unser Denken ist in vielen Dingen sehr viel liberaler geworden. Von Themen wie Homosexualität und Gleichberechtigung bis hin zum Engagement für Klimaschutz. Wir waren sogar dabei, eine grenzenlose Welt zu schaffen, wovon ich ja auch in meinen Liedern immer geträumt habe. Vieles droht aber wieder zu kippen und Populisten rufen nach nationalen Grenzen. Es ist erschreckend, wie schnell sowas passiert.

Was ist Ihnen wichtiger: Sprache oder Musik?

Ich komme bei all meinen Liedern ja erstmal über die Sprache. Ich vertone meine Texte und nicht umgekehrt. Deswegen bin ich auch stilistisch nicht wirklich festzulegen, weil ich finde, dass ein bestimmter Text auch eine bestimmte Vertonung braucht. Musik ist in der Darbietung natürlich etwas unglaublich Schönes. Dieser meditative Flow-Zustand auf der Bühne ist ja etwas, was wir uns alle ersehnen. Keine Vergangenheit, keine Zukunft, einfach im Jetzt.

Die klassische Musik und Konstantin Wecker, das scheint etwas fast Unverbrüchliches zu sein. Ihr Vater Opernsänger, ihre Kindheit mit Schellack-Platten von Mozart und Callas, dazu Unterricht in Geige, Gitarre und Klavier. Warum sind Sie eigentlich nicht Opern-Komponist geworden. Das war doch Ihr Plan, oder?

Ich wollte, ja. Mich hat aber Puccini dran gehindert. Ich bin ja ein unglaublich bekennender Puccinist und es ist der einzige –Ismus den ich habe. Sowas wie die „Tosca“ konnte ich also nicht mehr schreiben, die Oper gab es ja schon. Also habe ich darauf besonnen, dass ich dann wohl doch eher zu den Kleinkünstlern gehöre. In meiner Kleinkunst bin ich aber dann doch von Puccini geprägt und von Verdi und Schubert.

Ihr 1981 veröffentlichtes Album „Liebesflug“ war ja fast schon ein klassischer Entwurf. Sie singen sogar Belcanto und Lieder im Schubert-Stil. Ist das so eine ewige Sehnsucht bei Ihnen, nach Klassik und Innigkeit?

Sie schimmert jedenfalls immer wieder durch, diese Sehnsucht. Ich mag diese so genannten „Kunstlieder“ einfach. Das sind doch großartige Werke.

Sie touren ja mit Ihren bekannten Liedern, aber eben mit einem klassischen Orchester. Wie viel muss denn dafür umgeschrieben werden?

Es ist ja nicht so, dass ich diesen Liedern ein Orchester aufpropfe. Sie waren damals schon orchestral aufgenommen. Die Lieder habe ich also schon bei der Komposition so gedacht. Reggae oder Soul versehe ich nicht mit Kammermusik.

In den 70er Jahren waren es fast schon ein Skandal, wenn Sie als politischer Liedermacher auf Konzerte von einem Cello begleitet wurden. Absurd, oder?

Natürlich war das absurd und lächerlich. Ein Cello sei ein „bourgeoises Instrument“, wurde mir vorgeworfen. Dabei wurde aber verschwiegen, das der Vorgänger der Gitarre, die Laute, der Belustigung von Königen diente. Wissen Sie, was mir gefällt: die Playlist meines Sohnes. Der hat keinerlei Berührungsängste. Da ist von Bach über Punk und Indie bis Rap alles dabei.

Welchen bleibenden Eindruck wünschen Sie Ihren Konzertgästen in Baiersbronn?

Die höchste Errungenschaft der Menschheit ist das Mitgefühl und die Empathie. Die wohnt uns allen inne. Viele Menschen haben sich, auch auf dem Weg zur Macht, das einfach abgeschminkt und verboten. Empathie ist, was wir zurzeit am allerdringendsten gebrauchen.

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K7 Weltenbrand - Konstantin Wecker & Bayerische Philharmonie

Konstantin Wecker, Mark Mast, Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie

Samstag 01.06.2019 um 20:00 Uhr

 

Schwarzwaldhalle

Wilhelm-Münster-Straße 8

72270 Baiersbronn

 

Tickets ab 39 Euro

 

Alles zum Schwarzwald Musikfestival

Ob in großen Festsälen, Brauereien, modernen Werkshallen oder alten Schwarzwälder Bauernhöfen: Seit 1998 bringt das Schwarzwald Musikfestival Klassik, Jazz und Weltmusik in jeden Winkel der Region. Mit renommierten Künstlern, national wie international, und Tausenden von Zuschauern ist das Festival in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem der großen Highlights im Südwesten Deutschlands aufgestiegen. Ob Chor, Orchester oder Solist: 15 Konzerte können Sie in diesem Jahr vom 24. Mai bis 10. Juni erleben. Und für Kinder gibt’s tolle Möglichkeiten, klassische Musik in interaktiven Workshops zu entdecken und zu erleben. Alle Termine und mehr Infos hier: www.schwarzwald-musikfestival.de

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