Alexander Bonde mit der Vorsitzenden des DBU-Kuratoriums, Rita Schwarzelühr-Sutter.
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„Ein ICE-Bahnhof wäre schon was“

Bundestagsabgeordneter und Minister in Baden-Württemberg war er schon: Mittlerweile ist der Baiersbronner Alexander Bonde Chef der weltgrößten Umweltstiftung. Ein Gespräch über mystische Wälder, die Karlsruher S-Bahn und darüber, was er in seinem Leben unbedingt noch erfahren möchte.

von Stefan Ruzas
Mi. 31. Juli 2019 8

Alexander Bonde im Gespräch mit Redakteur Stefan Ruzas

Ruzas: Sie arbeiten als Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Berlin, Osnabrück und anderswo, aber Ihr Zuhause ist und bleibt immer noch Baiersbronn. Wie würden Sie einem Menschen, der noch nie hier war, diesen Ort beschreiben?

Bonde: Die Kurzversion wäre wahrscheinlich: Viel Schwarzwald mit lauter netten Ortsteilen und guter Gastronomie dazwischen.

Gibt es für Sie hier eigentlich so etwas wie einen Lieblingsplatz, den Sie ganz besonders mögen; einen Baum vielleicht, einen Blick oder eine spezielle Route?

Der Abstieg zum Wilden See im gleichnamigen Bannwald in der Nähe des Ruhesteins. Quasi das Herzstück des Nationalparks. Hier wurde schon vor über hundert Jahren Wald in die Wildnis entlassen, und die Natur hat sich frei entwickelt. Man kann einen ganz anderen, fast schon mystisch wilden Wald erleben. Dieses spezielle Waldbild ist faszinierend und als Ergänzung zum Wirtschaftswald für den Naturschutz sehr wichtig. Das beschäftigt mich auch beruflich bei der Stiftung. Mit den 71 Naturerbe-Flächen mit 70.000 Hektar, die die DBU deutschlandweit betreut, tragen wir genau dazu bei.

Und was fehlt Ihnen hier am meisten?

Ein ICE-Bahnhof. Nichts gegen die Karlsruher S-Bahn, aber direkt ins ICE-Netz loszufahren, wäre schon was...

Als Leiter einer Umweltstiftung müssen Sie es doch eigentlich wissen: Was macht Baiersbronn in Sachen Umwelt- und Naturschutz gut und wo gibt’s noch etwas Nachholbedarf?

Alle müssen das machen, was geht und jeweils auf die konkreten Gegebenheiten passt. Nicht jedes Haus ist geeignet für Solarzellen. Bei uns war das mit dem Denkmalschutz und den Dachformen schlicht nicht möglich, dafür andere Sanierungsmaßnahmen. Und leider gibt es nicht für jedes Streckenprofil heute schon das wirklich wirtschaftlich passende Elektroauto. Der Plug-in-Hybrid, den ich ausprobiert habe, hat sich in den tatsächlichen Verbrauchs- und Emissionswerten leider als deutlich ungünstiger herausgestellt. Da kann man an der Trägheit der deutschen Automobilindustrie manchmal echt verzweifeln.

Im Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg waren Sie bis 2016 fünf Jahre lang Minister für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Tourismus. Stimmt es, dass wir den Nationalpark Schwarzwald vor allem Ihnen zu verdanken haben?

Da waren viele beteiligt. Aber in der Tat gab es einige Phasen des Gründungs-Prozesses, in denen ich das Projekt als zuständiger Minister mit meiner Mannschaft und einigen regionalen Unterstützerinnen und Unterstützern ziemlich alleine getragen habe. Ich war immer überzeugt, dass der Nationalpark ein riesiger Gewinn für die Region, das Land und für die Natur werden wird - auch als andere zauderten. Und die tolle Entwicklung des Nationalparks bestätigt das ja nun auch.

Heiß diskutiert war ja auch das deutlich tierschutzfreundlichere Jagdschutzgesetz in Baden-Württemberg, das Sie ebenfalls auf den Weg gebracht haben. Sind die Jäger heute noch sauer auf Sie?

Jagd ist immer ein emotionales Thema, bei dem die Wellen hoch schlagen, insbesondere wenn sie die Rechtsgrundlagen ab und an anpassen müssen. So mussten neue wildökologische Erkenntnisse und Tierschutzaspekte aufgegriffen werden. Verglichen mit anderen Bundesländern lief das in Baden-Württemberg ja sehr ruhig ab. Und wenn es mal lebhaft wurde, dann habe ich in den Akten vergangener Jagdrechtnovellen geblättert und geschaut, was CDU-Vorgänger wie Willi Stächele da alles an den Kopf geworfen bekamen. Zurück zum Ernst: Auf das von mir umgesetzte Schalenmodell werde ich bis heute bundesweit von Jägern sehr positiv angesprochen als eine gute Kompromisslinie zwischen den vielfältigen Interessen von Jagd, Tierschutz, Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft.

Wanderung zum Wilden See

Hinab zu einem der schönsten Karseen des Nordschwarzwalds

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Im Bannwald

Der Wilde See ist einer der schönsten Karseen des Nordschwarzwaldes. Im Bannwald, der ihn umgibt, wird seit 1911 kein Baum mehr gefällt. Nach mehr als 100 Jahren freier Entwicklung gibt uns dieser Wald heute einen Eindruck von der Wildnis, die hier herrschte, bevor der Mensch den Schwarzwald besiedelte und zu verändern begann. Beim Abstieg zum See bieten sich faszinierende Bilder aus allen Lebensphasen, die ein natürlicher Wald durchläuft: von winzigen Baumkeimlingen über junge und halbstarke Bäume bis hin zu gewaltigen Baumriesen und schließlich entrindeten Stämmen, die noch lange stehen, bevor sie zusammenbrechen. Eine kontrastreiche Rundwanderung im Nationalpark Schwarzwald auf die Hochmoorebene zum Wildseeblick und Eutinggrab mit grandiosen Ausblicken entlang des Westweges in die Rheinebene und Vogesen finden Sie hier.

Auch die Gründung von Landschaftspflegeverbänden und den Ökolandbau haben Sie forciert. Geht das denn jetzt in Ihrem Sinne weiter?

Der Ausbau der Landschaftspflegeverbände war ein wichtiger Schritt, um in der Fläche Kulturlandschaft zu pflegen und zu erhalten. Und dafür, den Landwirten einen besseren Zugang zu Pflegeprogrammen und Förderung zu ermöglichen. Da ist Baden-Württemberg mit praktisch flächendeckenden Pflegeverbänden jetzt beispielgebend. Beim Ökolandbau haben wir mit der Wiedereinführung der Umstiegsförderung und dem Aktionsplan „Bio aus Baden-Württemberg“ große Schritte gemacht. Die ursprünglich noch von mir angedachten Bio-Musterregionen sind jetzt - mit einer anderen Ausgestaltung - am Start. Mal sehen, wie sie sich entwickeln. Da ist jedenfalls noch deutlich mehr regionale Bio-Produktion möglich.

Von Agrarwende über Elektromobilität bis Klimawandel: Blicken Sie überhaupt noch durch, was als Erstes zu tun ist, um unsere schöne Erde zu retten?

Die ökologischen Herausforderungen sind groß und eilig - die gute Nachricht ist: bei konsequentem Handeln können wir es noch hinbekommen. Vor allem müssen wir den Klimawandel und den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt stoppen. Beides sind existenzielle Fragen für uns und unsere Kinder. Der Dürre-Sommer 2018 hat uns nochmal sehr deutlich gezeigt, in welche Situationen wir als Menschheit laufen, wenn wir nicht umsteuern. Daraus ergeben sich dann die von Ihnen angesprochenen Handlungsfelder von ökologischer Landwirtschaft bis nachhaltiger Mobilität. Als Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützen wir mit Know-how und Geld gezielt den Mittelstand, um diese Herausforderungen mit neuen, innovativen Lösungen und Technologien beherzt anzugehen. Ich finde es extrem spannend, die neuen technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung noch stärker für Klimaschutz, Energieeffizienz und Ressourcenschutz zu nutzen.

Seit 2018 sind Sie neuer Generalsekretär der DBU, die ja als eine der weltweit größten Umweltstiftungen gilt. Sie hat seit ihrer Gründung in den 90er Jahren mit mehr als 1,7 Milliarden Euro fast 10.000 Projekte gefördert. Auch hier in der Gegend?

Ja, klar. In Baden-Württemberg haben wir bisher knapp 1.300 Projekte mit rund 192 Millionen Euro gefördert. Im Landkreis Freudenstadt zehn Projekte mit über einer Million Euro und in Baiersbronn hat die DBU zuletzt 2002 die Photovoltaik-Demonstrationsanlage der evangelischen Kirchengemeinde Obertal gefördert. Auch im Schwarzwald machen wir mit Partnern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft spannende Projekte in Umwelttechnik, -forschung, -bildung und Naturschutz. Beispielsweise fördern wir die neue, sehr innovative Dauerausstellung des Nationalparks mit fast einer Million Euro. Das wird eine tolle Sache - sobald das Besucherzentrum dann mal fertig wird. In den nächsten Tagen starten wir auch mit weiteren Firmen aus der Region innovative Projekte im Holzbau und zur Steigerung der Energieeffizienz.

Umweltschutz ohne Stiftungsgelder: Geht so was heute überhaupt noch?

Im Umweltschutz und vor allem im Klimaschutz sind mehr denn je alle gefragt, ihren Teil zu leisten. Ohne das Handeln von Wirtschaft, Politik und jeder Einzelnen, jedem Einzelnen werden wir die notwendigen Ziele nicht erreichen. Andere Stiftungen und die DBU können und wollen dabei unterstützen.

Was möchten Sie in Ihrem Leben unbedingt noch erfahren?

Einiges! Aber darauf jetzt mit einer einzigen Sache zu antworten, wäre irgendwie komisch, oder? Wir alle lernen täglich was - und wenn nicht, läuft was richtig schief.

Und was würden Sie für kein Geld der Welt tun?

Auch einiges!

Stefan  Ruzas
Stefan Ruzas

Der gebürtige Düsseldorfer wohnt seit 30 Jahren in München und hat zwei Kinder. Er schreibt als Autor für Titel wie FOCUS, Süddeutsche Zeitung, Welt am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung oder die Zeit. Er ist Gründer des modernen Bergmagazins Monte und Dozent an der Akademie der Deutschen Medien.

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